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Offene Fehlerkultur im ärztlichen Berufsalltag etabliert

Berlin, 10.11.2022 – „Überall dort, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler – auch in der Medizin. Damit gehen wir offen um, lernen aus ihnen und unterstützen betroffene Patientinnen und Patienten, zu ihrem Recht zu kommen. Dies betonte Dr. Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer (BÄK) und Co-Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der BÄK, anlässlich der Veröffentlichung der Behandlungsfehlerstatistik für das Jahr 2021.

Lundershausen hob hervor, dass Ärztinnen und Ärzte ihren Patientinnen und Patienten zwar nicht immer Heilung versprechen könnten, wohl aber, dass sie sich mit ganzer Kraft für die Qualität ihrer Behandlung und damit für ihre Sicherheit einsetzten. Qualitätszirkel, Peer-Reviews, aber auch Konsile, Tumorkonferenzen oder Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen sowie anonyme Fehlermeldesysteme gehörten in medizinischen Einrichtungen längst zum Alltag. „Jeder Fehler innerhalb der Behandlung ist einer zu viel. Unser Ziel ist es auszuschließen, dass ein und derselbe Fehler zweimal passiert“, so die BÄK-Vizepräsidentin.

„Wir müssen die Risiken in der Medizin richtig einordnen, um Patienten nicht unnötig zu verunsichern. Für Panikmache und Pfuschvorwürfe gibt es überhaupt keinen Grund. Beides schadet der mittlerweile gut etablierten offenen Fehlerkultur in der Medizin“, sagte Prof. Dr. Andreas Crusius, ebenfalls Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Gesamtzahl der Behandlungsfälle in Klinik und Praxis. Demnach stiegen die ambulanten Behandlungsfälle zwischen den Jahren 2004 und 2019 um 183 Millionen auf insgesamt 719 Millionen. Ähnlich sieht es in den Krankenhäusern aus. Dort erhöhte sich die Zahl der Behandlungsfälle im gleichen Zeitraum um 2,6 Millionen auf 19,4 Millionen Fälle.

„Gemessen daran liegt die Zahl der festgestellten Fehler im Promillebereich“, so Crusius. Eine Gefahrenquelle sei der Zeit- und Personalmangel in Kliniken und Praxen. Crusius: „Die über Jahrzehnte von der Politik geschaffenen ökonomischen Rahmenbedingungen in unserem Gesundheitssystem sind nicht auf maximale Patientensicherheit ausgerichtet, sondern auf maximale Effizienz.“

Im Jahr 2021 haben die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bundesweit insgesamt 5 324 Sachentscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen. In 1 416 Fällen lag ein Behandlungsfehler vor. Davon wurde in 1 293 Fällen der Behandlungsfehler / Risikoaufklärungsmangel als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt, der einen Anspruch der Patientin oder des Patienten auf Entschädigung begründete. Ein Behandlungsfehler / Risikoaufklärungsmangel ohne kausalen Gesundheitsschaden als Folge lag in 180 Fällen vor.

Die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen führten, waren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen. In rund 400 Fällen lag ein Behandlungsfehler / Risikoaufklärungsmangel vor, der jedoch keinen kausalen Gesundheitsschaden zur Folge hatte.

Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern erfassen die Anzahl der bearbeiteten Anträge, die geprüften Sachverhalte und die festgestellten Behandlungsfehler statistisch. Ziel ist es, Fehlerhäufigkeiten zu erkennen und Fehlerursachen auszuwerten, um sie für die ärztliche Fortbildung und die Qualitätssicherung in medizinischen Einrichtungen zu nutzen. Maßgabe dabei ist, einen effektiven Patientenschutz zu etablieren und weiterzuentwickeln.

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