Uniklinikum Augsburg stattet Mitarbeitende mit Hilfe zur Selbsthilfe aus

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Susanne Arnold, UKA, Pflegedirektorin | Peter Zehentner, PSU-Akut, Peer-Ausbilder | Manuela Ohmer-Kluge, UKA, Projektleitung und Koordination Betriebliches Gesundheitsmanagement | Alfred Heigl, AOK Bayern, Direktor Augsburg | Dr. med. Andreas Schießl, PSU-Akut, Gründungsmitglied und Peer-Ausbilder (von links nach rechts)



Das Leuchtturmprojekt für die Klinik: 
Uniklinikum Augsburg stattet Mitarbeitende mit Hilfe zur Selbsthilfe aus

 

(18. Mai 2022) Was eigentlich flächendeckend in jedem Krankenhaus, in jeder Klinik in Bayern, besser noch ganz Deutschland, selbstverständlich sein sollte, wird im Universitätsklinikum Augsburg (UKA) bereits gelebt: Strukturiert wird sich beim größten Arbeitgeber in Schwaben um die psychosoziale Gesundheit der eigenen Mitarbeitenden gekümmert. Hier werden Kollegen zu niederschwelligen Ansprechpartnern ausgebildet, so genannten Peers, die zuhören, aufbauen, Unterstützung anbieten, wenn man selbst einmal Hilfe braucht und eine Situation im Klinikalltag alles zu überschatten droht. 42 Peers sind bereits ausgebildet. Weitere folgen in den nächsten Monaten und Jahren. Ja, hier passiert etwas. Und jeder, der sich näher mit diesem Projekt beschäftigt, ist begeistert. Die gute Nachricht des Tages. 

Geschichten über Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern sind eigentlich immer ähnlich. Zu wenig Menschen. Zu viel Arbeit. Zu viel Verantwortung. Zu wenig Perspektive und entsprechend viel zu viele, die sich schließlich gegen diesen sinnstiftenden Beruf entscheiden. Auch in Augsburg habe man großartige Menschen verloren, sagt Pflegedirektorin Susanne Arnold, weil sie irgendwann keine Kraft mehr hatten – schon lange vor Corona. Die Pandemie kam jetzt noch on top. Entsprechend hat man sich im UKA auf den Weg gemacht, um die eigenen Mitarbeitenden zu stärken, zu halten, zu wappnen, resilient zu machen, wie es fachlich korrekt heißt. Und um ihnen deutlich zu machen, dass es ok ist, als Helfer auch selbst Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Das kann auch bedeuten, bei einem Kaffee kurz mit einem Kollegen ins Gespräch zu kommen.“, erklärt Manuela Ohmer-Kluge, Koordinatorin des betrieblichen Gesundheitsmanagements. „Wir erleben hier einen wirklichen Paradigmenwechsel!“ 

„Peer-Support bedeutet die Mitarbeitenden mit Rüstzeug für eigene Hilfsangebote auszustatten.“

Seit einem halben Jahr etabliert die Klinik gemeinsam mit dem Verein PSU-Akut Strukturen zur psychosozialen Unterstützung sämtlicher Mitarbeitenden, also nicht nur der Pflegenden. Aber unter den mehr als 6.600 Angestellten stellt mit rund 3.000 Menschen die Pflege die größte Berufsgruppe dar. Rund 1.000 Beschäftigte sind Ärzte. „Natürlich haben wir jetzt nicht die ultimative Lösung für alle Probleme des Gesundheitssystems“, sagt Dr. Andreas Schießl. Der Arzt aus München ist Gründungsmitglied von PSU-Akut und hat mit seinem Team gemeinsam mit den Ansprechpartnern im Uniklinikum Augsburg das Konzept für die Psychosoziale Unterstützung (PSU) und Resilienzstärkung entwickelt. Gerade bildet er mit seinem Kollegen Peter Zehentner 17 weitere Peers aus. „Das sind 17 hochmotivierte, großartige Menschen, die bereits viel innere Stärke im Gepäck haben und gute Antennen, wie es den eigenen Kollegen gerade geht“, so Schießl. „Wir statten sie in den Schulungen jetzt mit weiterem Rüstzeug aus: Struktur, die wieder Sicherheit vermittelt, nicht nur Patienten, sondern auch den eigenen Leuten helfen zu können.“ 

Und es sei die Gewissheit in der Belegschaft aufgefangen zu werden, nicht allein zu sein, die einen entscheidenden Unterschied mache, sind sich Pflegedirektorin Arnold und Koordinatorin Ohmer-Kluge sicher. „Das macht Mut! Das motiviert!“ Beide haben selbst viele Jahre als Pflegende am Patientenbett gestanden. Ohmer-Kluge hat sich deshalb auch selbst zum Peer ausbilden lassen. Sie weiß, wovon sie spricht. Hier geht es nicht um theoretische Konzepte, die einer Gruppe von Menschen übergestülpt werden. Hier steht der Mensch, die/der Mitarbeitende, die Pflegekraft, der Mediziner aber auch die Frau im Sicherheitsdienst zentral im Fokus. Denn auch sie finden im Krisenfall einen Ansprechpartner unter ihren direkten Kollegen. 

„Unser Konzept ist kein Tropfen auf dem heißen Stein, sondern ein nachhaltiges Netzwerk.“ 

Angelegt ist das Projekt auf drei Jahre. Aber ganz bestimmt werde man auch darüber hinaus weiter an diesem Konzept festhalten, weitermachen, so alle Projektverantwortlichen. Finanziert werden die Maßnahmen derzeit von der AOK Bayern, die sich gar nicht lange bitten lassen musste. „Wir waren sofort überzeugt von dem Ansatz der Peer-Ausbildung“, versichert der Augsburger Direktor der AOK Bayern, Alfred Heigl. „Das ist eine hervorragende Gelegenheit, die Pflege zu unterstützen. Und es war uns besonders wichtig, eine Entlastung in einer sehr belastenden Zeit zu schaffen.“ So sei man sich sicher, dass die Maßnahmen nachhaltig in der Belegschaft des Klinikums wirken und weitere Kreise ziehen. „Wünschenswert wäre es zudem, wenn dieses Projekt noch viele Nachahmer finden würde – nicht nur in Augsburg“, so Heigl. „Wenn man entlastet pflegen kann, ist das auf der einen Seite gut für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, aber auch für die zu pflegenden Patienten.“

Dies ist auch der Wunsch des Vereins PSU-Akut. Man hofft, dass dieses Leuchtturmprojekt ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Fach- und Koordinierungsstelle PSU in Bayern ist, damit auch andere Kliniken dieses Konzept übernehmen können. Niemand streitet den Nutzen bisher ab. Denn ganz eindeutig steht fest: Es ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. 

Bildmaterial für Print und Online von unserem Fotografen Torben Brinkema zur freien Verwendung steht zum Download unter https://we.tl/t-anJhvZQMqT für Sie bereit.

Bildunterschrift beispielhaft für Bild 10 von links nach rechts: 

  • Susanne Arnold, UKA, Pflegedirektorin
  • Peter Zehentner, PSU-Akut, Peer-Ausbilder
  • Manuela Ohmer-Kluge, UKA, Projektleitung und Koordination Betriebliches Gesundheitsmanagement
  • Alfred Heigl, AOK Bayern, Direktor Augsburg
  • Dr. med. Andreas Schießl, PSU-Akut, Gründungsmitglied und Peer-Ausbilder

Ansprechpartner für Journalisten:

Nina Meckel
Pressesprecherin PSU-Akut

Tel.: 089 230 69 60 41
Mobil: 0177 83 38 568
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. 


Weitere Hintergrundinformationen: 

Pflegekräfte stellen die größte Berufsgruppe des deutschen Gesundheitswesens dar. Der berufliche Alltag erfordert von ihnen ein Höchstmaß an fachlicher Professionalität, persönlicher Sicherheit und Stabilität. Hohe Anforderungen, Zeitdruck, komplexe Krankheitsbilder, Konflikte, aggressive Patienten sowie starke Arbeitsauslastung und Personalmangel, stellen sie immer wieder vor Herausforderungen und haben eine kontinuierliche Stressbelastung zur Folge. Berufsimmanent sind zusätzlich schwerwiegende Ereignisse, wie beispielsweise unerwartete Todesfälle oder Reanimationssituationen, insbesondere mit Kindern. Diese Aspekte des Berufsbildes können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, wie zahlreiche Studien belegen.

Für die Landeshauptstadt München konnten im Rahmen der Münchner Pflegestudie bereits vor der Pandemie konkrete Zahlen ermittelt werden: Demnach dachten schon 2018 36 Prozent der Fachpflegekräfte oft oder sehr oft daran, den Pflegeberuf aufzugeben. 28 Prozent planten dies konkret in den nächsten drei Jahren zu tun. Als Fazit aus der Münchner Pflegestudie ging hervor, dass es dringend Maßnahmen zur Personalgewinnung, zur Personalbindung und zur Personalentlastung bedarf. 
So etablierte PSU-Akut gemeinsam mit der Stadt München das Projekt „Krisenkompass“ - Angebote für Münchner Pflegekräfte zur Psychosozialen Unterstützung (PSU) bei besonderen Belastungssituationen. Im vergangenen Juli wurde das Projekt mit dem Münchner Pflegepreis 2021 geehrt. 

Über PSU-Akut e.V.

Der gemeinnützige Verein PSU Akut wurde 2013 zur nachhaltigen Umsetzung von Angeboten zur Psychosozialen Unterstützung (PSU) im Gesundheitswesen „von Kolleg:innen für Kolleg:innen“ gegründet. PSU setzt bei schwerwiegenden Ereignissen (z.B. dramatische Reanimationen/Todesfälle, Gewalttaten, Suizid, Schädigung von Patient:innen) und besonderen Belastungssituationen (z.B. Auswirkungen der COVID-19-Pandemie) an und zielt dabei auf die Stärkung von Sicherheit, Handlungsfähigkeit und Gesundheit. Unsere Angebote richten sich an alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen. Kollegiale Unterstützer:innen, sog. Peers, sind für die PSU-Arbeit von besonderer Bedeutung. Sie bieten im Ereignisfall Gespräche zur Stabilisierung und Entlastung an (Peer Support). Im PSU-Team arbeiten Peers eng mit Psychosozialen Fachkräften und approbierten Psychotherapeut:innen zusammen.

Die Arbeit von PSU Akut e.V. fokussiert auf

  1. Schnelle und niederschwellige Unterstützung im Akutfall
  2. Ausbildung, Weiterbildung und Beratung im Themenbereich psychosoziale Unterstützung
  3. Institutionelle Hilfe bei Personalentlastung und Personalbindung durch psychosoziale Unterstützung.