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„Richtige Erkenntnisse, unzureichende Umsetzung“

Berlin, 23.05.2023 – Zu dem für heute angesetzten „Kamingespräch“ zwischen Bund und Ländern und zu den vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgelegten Eckpunkten für eine Krankenhausreform erklärt Bundesärztekammer-Präsident
Dr. Klaus Reinhardt:

„Der Bund reagiert auf die gut begründeten Einwände aus den Ländern und aus der Ärzteschaft und greift einige Forderungen auf. Das gilt für die Länderhoheit bei den Krankenhausstrukturen, für die Notwendigkeit einer Entbürokratisierung und für die Bedeutung von ärztlicher Leitung und ärztlicher Weiterbildung im Krankenhaus.

Die konkreten Regelungsvorschläge bleiben jedoch hinter diesem Erkenntnisfortschritt zurück: Was im Grundsatz anerkannt wird, wird im Konkreten nicht durchgängig umgesetzt. So erhalten die Länder bei der Erarbeitung von Leistungsgruppen nur ein nachgelagertes „Mitentscheidungsrecht“. Bei der Zuweisung von Leistungsgruppen und Leveln sollen die Länder zwar eigene Regelungen treffen können, der Bund würde diese aber über einheitliche Finanzierungs- und „Transparenz“-Vorschriften faktisch ins Leere laufen lassen. 

Auch bei den Fragen, die für die ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus und damit für die Qualität der Patientenversorgung von besonderer Bedeutung sind, entsprechen die konkret getroffenen Regelungen noch nicht den vom Bund im Grundsatz anerkannten Erfordernissen. Vier Punkte sind dabei besonders wichtig: 

1. Die Ärztliche Weiterbildung muss auf allen Versorgungsstufen gestärkt werden.
Zwar ist es schon mal ein Fortschritt, dass wir zum ersten Mal in einem BMG-Papier überhaupt etwas zur ärztlichen Weiterbildung lesen können. Es ist aber völlig unzureichend, dies nur bei den Kliniken der niedrigsten Versorgungsstufe aufzugreifen, den sogenannten Level-Ii-Kliniken. Wir brauchen eine Stärkung der ärztlichen Weiterbildung auf allen Versorgungsstufen. Nur so wird die Reform nicht zum Risiko für die ärztliche Nachwuchsgewinnung.

2. Es darf kein Krankenhaus ohne ärztliche Leitung geben.
Das BMG erkennt inzwischen zwar die Notwendigkeit der ärztlichen Leitung an. Die diesbezüglichen Vorschläge zu den sogenannten Level-Ii-Kliniken bleiben aber widersprüchlich. Das ist umso problematischer, als das Leistungsspektrum der Level-Ii-Krankenhäuser nun offenbar doch deutlich über das Modell einer „Kurzzeitpflege mit Arztbesuchen“ hinausgehen soll. Deshalb brauchen auch Level-Ii-Kliniken ohne Wenn und Aber eine ärztliche Leitung. Sonst kann man keinem Patienten empfehlen, sich in solche Häuser zu begeben.

3. Wir brauchen eine wirksame Entbürokratisierung.
Nichts raubt der Patientenversorgung mehr wertvolle Arbeitszeit als die überbordende Bürokratie. Das BMG benennt Entbürokratisierung als Ziel, bleibt aber dabei, das bestehende Fallpauschalen-System (DRGs) mit all seinen bürokratischen Lasten im Grunde beizubehalten. Für die – prinzipiell richtige – Vorhaltevergütung soll es dann noch einmal zusätzlich Kontrollendurch den Medizinischen Dienst (MD) geben. Das führt zu mehr Bürokratie. Deshalb brauchen wir eine grundlegende Reform auch des DRG-Systems. Außerdem darf es keine Dopplung von Qualitätskontrollen geben. Dazu brauchen wir in jedem Bundesland künftig eine transparente Übersicht über die verschiedenen Prüfaktivitäten.

4. Die ärztliche Personalausstattung muss bei der Vorhaltevergütung eigenständig berücksichtigt werden.
Der Bund sieht die Notwendigkeit einer Vorhaltefinanzierung, will dafür aber keine zusätzlichen Mittel vorsehen. So bleibt es bei dem erheblichen wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser und der Gefahr, dass am Personal gespart wird. Ohne zusätzliche Mittel wird sich daran nichts ändern. Dabei müssen neben den pflegerischen auch die ärztlichen Personalkosten adäquat berücksichtigt werden. Für die Umsetzung hat die Bundesärztekammer bereits ein ärztliches Personalbemessungssystem vorgestellt.

Die Ärzteschaft steht weiterhin bereit, Bund und Länder bei der Krankenhausreform aktiv zu unterstützen. Die Ärztekammern bündeln die medizinisch-fachliche Kompetenz und das ärztliche Versorgungswissen aus allen Bereichen der Versorgung. Auf dem diesjährigen Deutschen Ärztetag haben wir ein umfassendes Papier der Ärzteschaft zur Krankenhausreform vorgelegt, das neben dem Krankenhausbereich auch die Reformnotwendigkeiten für die ambulante und sektorenverbindende Versorgung klar benennt.“

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